Kennst du deine eigenen Befürfnisse?
Weißt du, welche Bedürfnisse du überhaupt hast? Und falls ja, gehst du ihnen nach?
Gibst du dir selbst die Erlaubnis sie zu erfüllen?
Kannst du sie auf gesunde Art kommunizieren oder drückst du sie so lange herunter, bis sie irgendwann aus dir herausplatzen und du damit mehr Streit provozierst, als dass am Ende deine Bedürfnisse wirklich gehört und erfüllt werden können?
All das sind Fragen, mit denen ich mich selbst in den letzten Monaten intensiv beschäftigt habe. Ziemlich frustrierend durfte ich feststellen, dass ich viele meiner Bedürfnisse gar nicht kannte. Ja, ich nicht einmal wusste, ob ich überhaupt welche habe. Ich bin ehrlich, das tat weh. Nahm ich doch an, ich sei ein Mensch, der für sich und seine Dinge, damit einschließend auch meine Bedürfnisse, einsteht. Pustekuchen. Bedingt durch meine Prägung und die extrem christliche Erziehung, die ich als ein in der ehemaligen DDR geborenes Kind „genossen“ habe, bin ich ziemlich perfekt darin gewesen die Bedürfnisse all meiner Mitmenschen um mich herum schon im Aufkeimen zu erspüren und diese, sofern es mir möglich war, zu erfüllen.
Das altruistische Prinzip der Nächstenliebe, zumindest so, wie es durch das Christentum uns über Jahrhunderte hinweg eingebläut wurde, ist der Tod jeglicher Achtsamkeit in dem von mir eingangs genannten und definierten Sinne.
Aus der Erfahrung heraus weiß ich, umgekehrt wird ein Schuh daraus: Erst dann, wenn du dich selbst an erste Stelle setzt, deine Bedürfnisse erkennst und beginnst, sie dir im Rahmen der dir vorhandenen Möglichkeiten zu erfüllen, bist du wahrhaftig bei dir. Dann und erst dann, hast du auch genügend Kraft, die Liebe, die als logische Konsequenz anfängt unaufhörlich zu fließen, an deine Mitmenschen zu verteilen. So befähigst du sie bei sich selbst zu sein oder erstmals bei sich anzukommen und achtsam für sich und ihre eigenen Bedürfnisse zu werden. So erhalten auch sie die Chance, diese zu erkennen und für sich zu entdecken. Das ist im Kern das, was Jesus meinte, als er sagte „dreht euch um und werdet wir die Kinder. So kehrt ihr heim ins Himmelreich.“.
Je tiefer ich in die Thematik eindringe, desto mehr komme ich zu dem Ergebnis, wie einfach meine Bedürfnisse im Grunde doch sind. Ganz einfach ausgedrückt lassen sie sich in einem einzigen Wort zusammen fassen: Liebe.
Ob sich das nun in der Nahrung, die ich zu mir nehme, ausdrückt, wenn mein Körper Hunger meldet. Und glaub mir, mein Körper hat zu komplett anderen Zeiten Hunger, als die gesamte Gesellschaft sagt, wann er Hunger haben darf und ja, achtsam zu sein, bedeutet auch, dass ich dann nachts gegen 23 Uhr nochmals mein Bett verlasse, um mir eine Tasse Milch oder etwas anderes zu holen und es zu verspeisen. Oder am Schlafrhythmus, der sich im Laufe der Jahre als mein ganz eigener eingespielt hat. Oder ob es sich darin ausdrückt, dass ich meinen Kindern sage, wenn ich eine Pause brauche oder meinem Partner, wenn ich ihn sehen möchte. Es spielt keine Rolle. Je achtsamer ich für mich und meine Bedürfnisse werde, desto früher kann ich sie erspüren und entsprechend rechtzeitiger auch auf gesunde Art und Weise kommunizieren.
Einen weiteren tollen Nebeneffekt habe ich dabei beobachten dürfen: Das schlechte Gewissen, welches mein halbes Leben lang mein permanenter Begleiter gewesen ist, hat sich auf ein Minimum reduziert. Falls es sich nochmals melden sollte, was echt super selten vorkommt, dann weiß ich sofort, ich habe eine meiner Grenzen übergangen. Sprich, ich habe eines meiner Bedürfnisse nicht erkannt, es somit überrannt und war nicht bei mir.
Das schlechte Gewissen ist ein Schwellenhüter für die eigenen Grenzen. Falls dir das schlechte Gewissen ebenso vertraut ist wie mir, fange an in die Beobachtung zu gehen: Wann tritt es auf? Über welche deiner Grenzen bist du gerannt? Welches Bedürfnis hast du dir verwehrt?
Ein schöner Nebeneffekt dieser gelebten Form von Achtsamkeit ist der, dass die Mitmenschen um dich herum ebenfalls achtsamer werden. Es wird ruhiger, harmonischer und friedlicher. Jedoch nicht dieser künstliche, aus dem angstgeschwängerten Harmoniezwang erzeugte Frieden, sondern der echte, heilsame. Jener, der ist, sobald die Menschen bei sich selbst sind.
Diesen Frieden wünsche ich dir ebenso. Falls du dabei Unterstützung möchtest, schaue dich auf meiner Website um. Dort findest du alle wichtigen Informationen zu meinen Angeboten.
In Liebe,
deine Jessica
Liebe Jessica,
aus meinem Herzen fließt ein uneingeschränktes ja zu Deinem Satz: “Der Mensch wird zur Unachtsamkeit erzogen.” Das ist zwar provokant, trifft aber den Kern. Mir ging es die letzten Monate sehr ähnlich wie Dir. Die schmerzhafte, achtsame Suche nach den eigenen Bedürfnissen trieb mich um. Und genau wie Dir wurde mir klar, dass Altruismus Achtsamkeit tötet. Spannend, wie sich mit der Auseinandersetzung auf einmal Türen in meiner Wahrnehmung geöffnet haben. So schön, dass Du mit diesem großartigen Artikel an der Blogparade teilnimmst!
Alles Liebe
Annette
Liebe Annette,
vielen Dank für deine wertvollen Zeilen. Für mich ist der Satz tatsächlich null provokant, sondern schlicht die Wahrheit von dem was ist. Ich verstehe jedoch gut, was du meinst. Vor wenigen Jahren noch, hatte ich deutlich Muffensausen, wenn ich Texte mit Aussagen veröffentlicht habe, die als provokant wahrgenommen werden können.
Mir scheint, wir beiden sind nicht die einzigen, die in den vergangenen Monaten durch ähnliche Prozesse gegangen sind. Nach dem, was ich beobachte ist es ein Phänomen der Zeit und ich bin dankbar um jeden, der bereit ist dort hindurchzugehen.
Danke, dass ich dabei sein durfte.
Alles Liebe auch für dich,
Jessica
“Der Mensch wird zur Unachtsamkeit erzogen.” Dieser Satz ist bei wir wirklich haften geblieben. Hat mich so etwas getriggert, weil Achtsamkeit für mich ein großes Thema ist. Und eigentlich auch in meiner Kindheit ein großes Thema war. Bis halt die Erziehung irgendwann anschlug. Auch wenn ich den Begriff “Achtsamkeit” gar nicht kannte, so war ich als introvertiertes Kind ständig dabei, in mich hineinzulauschen. Das war aber nicht wirklich das, was meine ehrgeizigen Eltern im Sinn hatten. Also muss ich mich heute immer wieder daran zu erinnern, im Hier und Jetzt zu leben und auch mal den Kopf auszuschalten. Danke für den schönen Artikel.
Danke für deine Zeilen, liebe Heike. Raus aus dem Kopf, rein in den Körper. Das wohl wichtigste, was wir tun können. So geschieht Heilung. Das Schöne an der aktuellen Zeit ist, wie ich finde, keiner muss etwas mehr müssen, denn alles darf und nichts muss.
Freut mich, dass dich mein Artikel berührt hat. Ich wünsche dir viel Freude am Erinnern und alles Gute für dich!
Danke für diesen wertvollen Artikel, der gerade so einiges mit mir macht. Denn beim Lesen ging mir eine Begebenheit der letzten Tage durch den Kopf. Getriggert durch die Äusserung einer mir ziemlich fremden Person, welche mir (Mitte 30) einbläute: “So spricht man nicht mit seinem Chef”. Durch diesen saloppen Satz blitzte ein Kindheitstrauma in mir auf. (An dieser Stelle die Frage “Hört das mal wieder auf mit dem Erinnern…? :-))
Unachtsamkeit passte beim Lesen direkt zu diesem Verhalten und aus verschiedenen Perspektiven betrachtet, finde ich diese Ansage immer noch jenseits von Achtsamkeit. Der Kritikpunkt ging gegen meine Natur, ausgelöst durch meine Worte in einem liebevollen Geplänkel mit einem meiner langjährigsten Freunde. Klar, ich bin heute kein Kind mehr, sondern Unternehmerin, habe also gar keinen Chef. Somit verbirgt sich hinter dieser Übergriffigkeit zusätzlich zwar eine Eigeninterpretation, ich tauche jedoch nicht mehr so tief unter wie damals. Dennoch macht es mit mir viel, besonders weil ich gerade zurück in mein Herkunftsland zog, von welchem ich aus ähnlich gelagerten Gründen lange Jahre “auf der Flucht” war: Den Einflüssen von aussen, die meinen innersten Kern überlagern und mich zu einem Menschen zu formen versuchen, der mit meiner tiefsten Wahrheit nur wenig zu tun hat. Gut habe ich die letzten Jahre immer mal wieder mit dir an meiner Wieder-Geburt gearbeitet und diese im Retreat zum letzten Frühlingsgeburt vollzogen. Die Furcht, wieder in alte Verhaltens-Muster zurückzufallen ist nun durch diesen Test vom Tisch und ich bin froh über die Entscheidung mit dir zu arbeiten.
Vielen Dank für dein Sein und Wirken, besonders dass du dich mit Artikeln wie diesem in deiner vollen Essenz zeigst und keine Masken vorhältst, die etwas zeigen sollen, was dir nicht entspricht.
Liebste Sabrina,
ich danke dir von Herzen für deine wertvollen Zeilen. Dabei kommt mir wieder unsere beliebte Frage hoch: Wer ist eigentlich man? Oder wie ich immer zu sagen pflege, “zum Glück bin ich kein Mann” *lach* Und nö, das Erinnern hört nicht auf. Das Vergessen jedoch genauso wenig. Nach dem Erinnern folgt das Vergessen oder das Vergessene bleibt vergessen. Beides ist gut, denn es zeigt, es ist vollendet!
Dein eindrückliches Beispiel zeigt deutlich, dass wir Menschen noch viel in Punkto Achtsamkeit lernen dürfen! Ebenso freut mich, dass deine Furcht, du könntest in alte Verhaltensmuster zurückfallen vom Tisch ist. Denn das passiert einfach nicht. Durch deine Entscheidung mit mir zu arbeiten und durch unsere Arbeit. Weil du weißt doch, das ist schlicht unlogisch. Die logische Konsequenz sind neue wertvolle Erfahrung jenseits von Prägung und Erfahrung. Quasi logisches Hexenwerk. 😉